Die Chefin in Ledermontur
Hart arbeiten gehört für Franchisenehmerin Regine Schlossnickel zum Leben – nicht arbeiten aber auch.
Die Hotelgäste, die an der Rezeption einchecken, machen große Augen: Hinter ihnen schiebt eine Frau in Ledermontur eine Harley-Davidson durch die Empfangshalle. Plötzlich geht alles ganz schnell: Ein Kellner öffnet die Tür zum Saal, die Frau lässt die 300-Kilo-Maschine in glänzendem Rot-metallic an und fährt damit vorbei an den Tischen, an denen etwa 50 festlich gekleidete und überwiegend ältere Gäste sitzen. „Die Leute waren sprachlos“, erzählt Regine Schlossnickel. Der Motorrad-Auftritt war eine Überraschung für ihren Vater zu dessen 80. Geburtstag.
Probleme aus dem elterlichen Betrieb landeten am Esstisch
Auch sonst ist Regine Schlossnickel für ungewöhnliche Ideen zu haben: Sie ist 48 Jahre alt und Quereinsteigerin, als sie sich entscheidet, ein Kieser Training-Studio zu eröffnen. Eigentlich wollte sie sich nicht selbstständig machen: Sie hatte zuvor viele Jahre im Lampen-Großhandel ihrer Eltern mitgearbeitet und kennt die Schattenseiten des Unternehmertums. Jedes Problem im Betrieb landete am Mittags- oder Abendbrottisch. Doch als ihr Mann ihr einen Zeitungsartikel von einem neu eröffneten Kieser-Studio zeigt, ist sie sofort begeistert. Das Konzept gefällt ihr, das effektive Training genauso wie die Unterstützung, die die Franchisenehmer bekommen – vom Marketing bis zur Mitarbeiterschulung.
Wie alle Franchisenehmer bei Kieser lernt sie das Geschäft von der Pike auf. Die Ausbildung zum Instruktor macht sie zusammen mit 19- und 20-Jährigen. Dann die Eröffnung im Dezember 2006 – ihre Mitarbeiter hatten erst am Vortag die Ausbildung beendet. Das Unternehmen läuft von Anfang an gut, auch wenn der Einsatz manchmal hoch ist: Kurz nach ihrem 50. Geburtstag zum Beispiel, als ihr an einem Montagmorgen gleich zwei ihrer damals vier Mitarbeiter aus privaten Gründen die Kündigung übergeben. Die Geschäftsführerin kann die Lücken nicht sofort schließen, bis ein neuer Mitarbeiter fertig ausgebildet ist, dauert es zweieinhalb Monate. Die Kieser-Studios sind 365 Tage im Jahr geöffnet, wochentags jeweils von 7.30 Uhr bis 21.30 Uhr. Sie springt selbst ein, schließt abends um 21.30 Uhr die Studiotür, am nächsten Morgen klingelt um 5.30 Uhr der Wecker. Sie erinnert sich noch gut an die harten Tage.
Mittlerweile leitet sie das Kieser Training-Studio in Pforzheim seit zehn Jahren. Sie ist eine der wenigen weiblichen Franchisenehmer in 113 Kieser-Studios in Deutschland. Für personelle Engpässe ist sie seit dem Zwischenfall damals gewappnet: Sie arbeitet eng mit den umliegenden Studios zusammen. Bei Bedarf helfen sie sich gegenseitig mit Springern aus. Und so gelingt ihr inzwischen, was viele Unternehmer nicht schaffen: neben der Arbeit das Privatleben nicht zu vernachlässigen.
Ihr Privatleben verteidigt sie konsequent
Fragt man Selbstständige nach privaten Interessen, werden diese oft einsilbig: viele nennen maximal ihre Familie und selbst das klingt bei einer durchschnittlichen 60- oder 70-Stunden-Woche eher nach einer Alibi-Antwort. Fragt man dagegen Regine Schlossnickel nach ihren Hobbys, kann man kaum mitschreiben, so schnell zählt sie auf: Motorradfahren, Leichtathletik, Joggen, Tauchen und Schwimmen. Alles aktiv? „Ja, alles aktiv“, antwortet sie ohne zu zögern. Ihr Privatleben und ihre freien Tage verteidigt die 59-Jährige konsequent. Im Schnitt arbeitet sie zehn Stunden am Tag. Alle zwei Monate macht sie mit ihrem Mann, Bernd Schlossnickel, eine Woche Urlaub. Wenn dieser über seine Frau spricht, zitiert er einen Werbeslogan: „Jeder hat etwas, was einen antreibt.“ Und ergänzt lachend: „Bei mir ist es meine Frau.“ Sich entspannt zurücklehnen, das ist weder im Privat- noch im Berufsleben ihr Ding.
Denn dass für Regine Schlossnickel die Freizeit wichtig ist, heißt nicht, dass sie das Studio nebenbei laufen lässt. Im Gegenteil: Sie legt Wert darauf, als Geschäftsführerin präsent zu sein. Sie will ihren Mitarbeitern und Kunden in die Augen schauen, will sie „riechen“ können, wie sie es nennt. So ahnt sie manches, bevor es ausgesprochen oder passiert ist. „Wenn es Probleme gibt, jammert sie nicht rum, sondern packt an“, sagt ihr Mann. Auch er ist Unternehmer und die beiden sprechen oft miteinander über anstehende Entscheidungen im jeweiligen Betrieb. Und so dreht sich auch bei Schlossnickels das Gespräch beim Abendessen – wie bei ihren Eltern – so manches mal um das Unternehmen ...
Text: Monika Herbst
Fotos: Verena Meier